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Großgruppe - Kleingruppe - Wie passt das logisch zusammen?


Wenn Sie an eine Veranstaltung im Großgruppenformat denken, haben Sie vermutlich sofort Bilder vor Augen.

Ein großes Plenum mit vielen Menschen, Rede und Gegenrede, möglichst alle sollen alles mitbekommen. 

Wenn Sie dann aber an einer Großgruppenveranstaltung teilnehmen oder eine Fortbildung zum Thema Großgruppenmethoden besuchen, stellen Sie schnell fest, dass Sie sich einen ganz wesentlichen Teil der Zeit in Kleingruppen wiederfinden. 


Was hat es mit diesem Paradox auf sich? 

 

Um diese Frage zu klären, werfen wir zunächst einen Blick darauf, was eine Klein- bzw. Großgruppe überhaupt ausmacht. Eine (Klein-)Gruppe besteht aus 3 bis ca. 20 Personen, ermöglicht Face-to-Face-Kommunikation und hat üblicherweise eine gemeinsame Aufgabe oder ein sie verbindendes Thema.  Dazu im Gegensatz kann man sich eine sehr große Gruppe vorstellen, Fans in einem Fußballstadion etwa. Ihre Aufmerksamkeit ist nicht aufeinander gerichtet, sondern auf etwas Drittes, in unserem Bild die Spieler auf dem Feld. Hier würde man von „Massen“ sprechen und nicht von Großgruppen. 


„Großgruppen“ sind Veranstaltungen, an denen von 30 bis hin zu mehreren Hundert Personen teilnehmen. Das sind dann unter Umständen auch richtig große Veranstaltungen, aber das Wesen der Großgruppe liegt eher darin, möglichst viele Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen und sie damit in die Prozesse einzubinden.  In Großgruppen geht es gerade darum, die Isolation des Individuums in der Masse aufzuheben und einen Rahmen für Dialog zu schaffen. 

 

Und dieser Dialog gelingt am besten in kleineren Gruppen. Hier arbeiten die Teilnehmenden gleichberechtigt untereinander. Sie brauchen keine Moderatorin, sondern können sich selbstbestimmt ihrer Aufgabe widmen. Der Fokus kann dabei ganz unterschiedlich sein. Es kann um das Bearbeiten einer Frage gehen, wo alle Ihre Ideen und Lösungsansätze einbringen können. Oder es kann der intensive Austausch über ganz persönliche Themen sein. Immer aber kommen alle Teilnehmenden zu Wort und hören einander aufmerksam zu. 

Die Zugehörigkeit zur Gruppe wird gestärkt durch das Arbeiten, Sprechen und Zuhören auf Augenhöhe, durch Gleichberechtigung und gegenseitige Aufmerksamkeit. 

 

Im Laufe einer Großgruppenveranstaltung bilden sich dabei immer wieder neue Kleingruppen. Die wechselnde Zusammensetzung der kleinen Gruppen erhöht noch einmal die Diversität der Antworten. Alle Teilnehmenden hören so in den verschiedenen Gruppen viele unterschiedlichen Stimmen. Das eröffnet eine große Perspektivenvielfalt. 


Die Gruppe überlegt dann selbst, was die wichtigsten Punkte sind, die sie von ihrer Arbeit oder ihren Gedanken wieder ins Plenum einträgt. Diese werden dann in der großen Runde aber nicht noch einmal diskutiert, besprochen oder bewertet, sondern die Gruppe priorisiert lediglich die Ergebnisse, z.B. in dem sie Themen wählt, an denen sie weiterarbeiten möchte. Und dann ist wieder eine Kleingruppe dran… 

 

Dieses Wechseln von Sammeln und Auswählen ersetzt die Rede und Gegenrede, die man aus großen plenaren Veranstaltungen kennt, bei denen häufig immer die gleichen Menschen sprechen. Diese in unserer Debattenkultur exponierten „Vielredner:innen“ können sich im Großgruppenformat als Teil der Gruppe erleben, die gemeinsam eine Lösung sucht. Die Ergebnisse der Großgruppen sind dann das Material für die Entscheidungsfindung in den entsprechenden Gremien. 

 

Die Frage nach der Größe einer Großgruppe ist also gar nicht so wichtig. Entscheidend ist vielmehr der Fokus auf die Gestaltung des Prozesses.  Es kommt darauf an, mit welchen Methoden man arbeitet und dann kann auch das Treffen im Nachbarschaftsraum mit „nur“ 25 Teilnehmenden eine Großgruppenveranstaltung sein. 


Und das scheinbare Paradox vom ständigen Wechsel in die Kleingruppe bei einer Großgruppenveranstaltung hat wie gesagt gute Gründe und vor allem viele positive Auswirkungen. 



Wenn Sie mehr Informationen zur Großgruppenarbeit suchen, bietet sich das kompakte Taschenbuch von Ruth Seliger:  “Einführung in Großgruppen-Methoden“ (2008) an. Gerne stellen wir Ihnen auch das Handout zur Fortbildung im Arbeiten mit Großgruppenmethoden in Nachbarschafts- und Kooperationsräumen zur Verfügung: Gerken, Christoph und Eva Hillebold (2023): Regionalisierung als Chance - wie sich Nachbarschaftsräume finden. 


Dr. Christopher Scholtz


Christine Burg-Seibel
Projektstudienleitung ekhn2030




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